Mit größter Sorgfalt stellte Inara die Buddha-Statuette auf den kleinen Altar, verschob sie um einige Millimeter nach links, ging einen Schritt zurück, um das Gesamtbild zu betrachten, legte den Kopf erst in die eine, dann in die andere Richtung schief, um dann die Statuette doch wieder in die andere Richtung und ein Stückchen nach hinten zu verschieben. Ja, so war es besser. So war es perfekt.
Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf Inaras Gesicht aus, als sie ihr neues Quartier bewunderte. Ein kleines Shuttle nur, aber indem sie es mietete, erlangte sie eine Unabhängigkeit, die ihr anders kaum möglich war. Sie hatte es mit Vorhängen und Tüchern drapiert, einem gemütlichen Divan und einem großen, luxuriösen Bett … eine Einrichtung, wie sie einer Companion angemessen war. Hier konnte sie leben und arbeiten, ihrer Berufung nachgehen, und mit etwas Glück war auch die Crew des Schiffes, der Serenity, in Ordnung. Natürlich kannte Inara den Hintergrund dieses Captain Malcolm Reynolds – ein Sergeant der Browncoats in den Unabhängigkeitskriegen, der ihren Beruf augenscheinlich nicht sehr respektierte, wenn auch das ihr dadurch zukommende Ansehen. Doch der Rest? Die Zeit würde es zeigen.
Ein Klopfen riss sie aus ihren Gedanken. “Herein”, sagte sie lächelnd und rückte ihr breites Tuch zurecht, damit es, vorne am Rock angebracht, Bauch und Brüste verdeckte und sanft über die linke Schulter auf den Rücken fiel. Nicht alle Menschen waren ihrem Beruf gegenüber aufgeschlossen, obwohl Companions allgemein hoch angesehen waren. Doch vielleicht galt das nur für die Allianzplaneten, denn andernorts schienen rauere Sitten zu herrschen. Womöglich waren auch die Mitglieder dieser Crew nicht mit dem Umgang mit Companions vertraut.
Einige hatte Inara schon kennengelernt, Zoë Washburne, die so etwas wie die zweite Offizierin war, und Hoban Washburne, den Piloten. Die beiden waren verheiratet und hatten einen angenehmen, wenn auch vorerst etwas reservierten Eindruck gemacht. Wenn Inara Captain Reynolds richtig verstanden hatte, fehlten noch zwei weitere Mitglieder, und vermutlich stand eines davon gerade vor der Tür. Inara hörte das Rascheln der Vorhänge, als sie beiseite geschoben wurden, und sah zarte kleine Hände hervorblitzen.
“Hallo”, sprach ihre Besucherin mit fröhlicher Stimme, noch bevor sie ganz eingetreten war, “ich bin Kaylee. Mal hat schon – oh.”
Ein leises, amüsiertes Lachen trat über Inaras Lippen, als das Mädchen mit vor Staunen weit aufgerissenem Mund im Eingang des Shuttles stand, weil sie wohl eine solche Einrichtung nicht erwartet hatte. “- erzählt, dass ich Companion bin?”, vollendete Inara den Satz fragend und ließ dem Mädchen Zeit, sich umzuschauen. So angenehm eingerichtet hatte sie das Shuttle vermutlich noch nie gesehen, so weich und sanft mit Stoffen und Polstern drapiert, in solch warmen Farben. Inara beobachtete sie und ließ ihrerseits den Blick über die schöne Gestalt ihres Besuchs gleiten, die von einem schmutzigen Arbeitsoverall verdeckt wurde.
“Du hast, also, Sie haben sie wunderschön herausgeputzt”, staunte die Besucherin, die immer noch den Blick schweifen ließ. “Das Shuttle, meine ich”, präzisierte sie und blickte dann Inara an, die ihr einen sanften Blick schenkte.
“Ich bin Inara”, stellte sie sich vor. “Es freut mich, dich kennenzulernen. Möchtest du einen Moment reinkommen?”
Auf Kaylees Gesicht – große Augen, eine feine Nase, etwas breite Wangen – breitete sich ein strahlendes Lächeln aus. “Ich wusste, dass Mal jemanden aussucht, der gut mit meinem Mädchen umgeht! Willkommen an Bord, Inara.”
Ein seltsames, schönes Gefühl machte sich in Inara breit. Bei Captain Reynolds hatte sie das Gefühl gehabt, nur deswegen an Bord willkommen zu sein, weil sie gesellschaftlich anerkannt war und es das war, was er suchte. Die zweite Offizierin und der Pilot nahmen sie kommentarlos auf, weil sie dem Captain vertrauten, doch Kaylee … Kaylee hieß sie mit einem Enthusiasmus willkommen, der ihr das Gefühl gab, hier wirklich richtig zu sein.
“Sieh dich ruhig um”, lächelte sie und strich sich eine Haarlocke hinter das Ohr, als sie Kaylee beobachtete. Auch, wenn der Overall nach häufiger Benutzung aussah und noch Spuren von Maschinenöl an ihm hafteten, Kaylee selber hatte sauberes, gepflegtes Haar und ein sanftes Gesicht. Sie schien gerne zu lachen, auch jetzt war ihr Gesichtsausdruck zwar staunend und voller Verwunderung, aber gleichzeitig vergnügt und fröhlich. Ein durch und durch angenehmer Anblick. Unter ihren Fingernägeln waren schwarze Ränder, bemerkte Inara.
“Du bist die Mechanikerin?”, fragte sie nach einer Weile und bot Kaylee einen Sitzplatz auf dem Sofa an.
Plötzlich huschte ein Ausdruck von Unsicherheit über deren Gesicht und sie wischte sich über die Wange, als ob es dort Dreck gäbe, den man entfernen müsste. “Das sieht man, oder?”, fragte sie unsicher und blieb stehen. “Ich will nichts von deiner schönen Einrichtung dreckig machen.”
Inara setzte sich und lächelte sanft. “Das machst du nicht. Setz dich doch zu mir.” Sie wartete, bis Kaylee sich tatsächlich hingesetzt hatte, dann fuhr sie fort: “Man sieht es, weil du einen Overall trägst. Der Captain trägt keinen, die Washburnes tragen ebenfalls keinen.”
“ Zoë und Wash”, warf Kaylee ein, und einen Moment lang war Inara verwirt.
“Ja? Die beiden meinte ich.”
“Keiner nennt sie bei ihrem Nachnamen”, erklärte Kaylee, und das Funkeln trat wieder in ihre Augen. “Sie sind einfach Zoë und Wash.”
“Achso – jedenfalls, an deiner Bekleidung merkt man dir deinen Beruf an. Und daran, dass du augenscheinlich dein Schiff liebst.” Unwillkürlich musste Inara lächeln, als sie an Kaylees Ausruf nur einige Augenblicke zuvor dachte, dann fuhr sie fort: “Abgesehen davon bist du ein hübsches Mädchen und eine attraktive Frau, wie ich sie hier sicherlich nicht erwartet hätte.” Sie hatte nicht einmal die Absicht, Kaylee schöne Augen machen, aber das Mädchen sah aus, als würde man ihr diese Wahrheit allzu selten sagen.
Augenblicklich erstrahlten Kaylees Augen, erhellten ihr ganzes Gesicht. “Du sagst das nicht nur, weil es dein Beruf ist?”, fragte sie dennoch nach.
Inara schüttelte den Kopf. “Ich sage das, weil es die Wahrheit ist.”